Haushaltsrede zum Haushalt 2023 Detlef Wessling (BfR)

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
als ich 2021 meine Haushaltsrede hier im Rat gehalten habe,
versah meinen Beitrag die MV mit der Überschrift „Die Zeche
zahlt am Ende der Bürger.“
Zugegeben, so weit ist es in diesem Jahr noch nicht
gekommen. Die großen Befürchtungen im Herbst als der
Haushaltplanentwurf 2023 eingebracht worden ist, haben sich
in dem Ausmaß nicht bestätigt. Das Damoklesschwert der
Haushaltssicherung schwebt nicht mehr über uns und es kann
in diesem Jahr noch einmal ein ausgeglichener Haushalt
präsentiert werden.
Doch dies ist wahrlich kein Grund zum Jubel, sondern vielmehr
nichts anderes als eine kurze Verschnaufpause für das
kommende Jahr. Denn die Stadt Rheine ist nicht noch einmal
sozusagen mit einem blauen Auge davongekommen, weil eine
vorausschauende und besonnene Haushaltsführung gemacht
wurde, sondern deshalb, weil äußere Umstände dafür gesorgt
haben, dass viele schlimme Befürchtungen nicht eingetreten
sind.
So ist der von vielen vorausgesagte „heiße Herbst“
ausgeblieben. Die Konjunktur zeigt sich, entgegen vielen
Prognosen, sehr stabil und in Europa reiben sich inzwischen
viele Politiker und Wirtschaftswissenschaftler die Augen, wie
Deutschland es wahrscheinlich wieder schafft, diese Krise
bisher gut zu meistern.
Und dies liegt vor allem daran, dass es die Bundesregierung
offenbar wohl geschafft hat, die richtigen und notwendigen
Maßnahmen zu ergreifen. Mit einer besonnenen und
vorausschauenden Politik, konnten viele Belastungen
zumindest auf ein erträgliches Maß, abgemildert werden. Leider
wird dies in der Öffentlichkeit offenbar nicht so deutlich, weil
sich Teile der Medien und auch Protagonisten anderer Parteien

lieber mit Negativschlagzeilen befassen und somit ein völlig
anderes Bild zeichnen.
Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, dass es
trotzdem äußere Einwirkungen gibt, die von der Stadt Rheine
zu bewältigen sind und waren. Zu nennen sind hier vor allem
die hohen Aufwendungen bei der Unterbringung von
schutzsuchenden Menschen. Es zeichnet sich immer mehr ab,
dass die Anzahl der Menschen, die bei uns vor Krieg und
Verfolgung Schutz suchen, größer wird als 2015. Die
Kommunen geraten hier immer mehr an die Grenzen ihrer
Belastbarkeit. Diese Menschen sind bei uns willkommen und
brauchen unsere Unterstützung. Es kann jedoch nicht sein,
dass die damit verbundenen Kosten in den Kommunen
verbleiben und Land und Bund sich hier immer wieder aus der
Verantwortung stehlen.
Begrüßenswert ist ebenfalls, dass der Bund den Anspruch der
Berechtigten beim Wohngeld weiter ausgedehnt hat. Eine
solche Reform war längst überfällig und bereits seit vielen
Jahren notwendig, denn die Mieten sind nicht erst in den letzten
zwei Jahren immer stärker gestiegen. Das dies jedoch zu einer
erheblichen Mehrbelastung bei den zuständigen
Bewilligungsbehörden führen wird, dürfte auch beim
Gesetzgeber bekannt gewesen sein. Denn mit dem bisher zur
Verfügung stehendem Personal kann die große Antragswelle
wohl kaum bewältigt werden. Daher wäre es angebracht
gewesen, wenn der Bund den Kommunen für das benötigte
Personal auch die entsprechenden Personalkosten zur
Verfügung gestellt hätte.
Doch bei unserem Haushalt muss auch genau hingeschaut
werden. Und wer sich diese Mühe macht und in die Tiefe geht,
wird fündig werden und so manche Schwachstelle in der
Finanzpolitik unserer Stadt entdecken.
Denn wir müssen und sollten ehrlich bleiben. Wer mit den
Menschen in unserer Stadt spricht, wird schnell merken, so
manches Thema für Unbehagen und Missmut sorgt.

Noch immer können viele Bürgerinnen und Bürger unserer
Stadt nicht nachvollziehen, warum in Zeiten wie diesen ein
aufwendiger und vor allem teurer Umbau am Rathaus und im
Rathauszentrum vorgenommen werden muss.
Auch wenn inzwischen fast schon feierlich verkündet wird, dass
die Kosten angeblich nicht so explodieren werden, wie bisher
angenommen, bleibt hier weiter sehr viel Ungewissheit. Wie am
Ende die Rechnung dann tatsächlich aussehen wird, werden
wir noch sehen. Doch es bleibt zunächst dabei, dass sich die
Mehrheit des Rates und auch die Verwaltung bei diesem
Projekt vollkommen verrechnet hat. Genau dies sollte man auch
endlich zugeben und nicht immer so tun, als hätte dieses
Projekt mit der Schieflage der städtischen Finanzen nichts zu
tun.
Genau das ist falsch und das wissen auch diejenigen, die das
Gegenteil behaupten. Denn es ist genau seit dem Beschluss zu
diesem Projekt im Jahr 2021 immer wieder deutlich geworden,
dass die Stadt Rheine in den nächsten Jahren wohl in die
Haushaltssicherung rutschen wird.
Und wenn dies dann auch noch durch den Bund der
Steuerzahler so dargestellt wird und einigen Politiker, die für
den Umbau gestimmt haben, nichts anderes einfällt, den Bund
der Steuerzahler öffentlich als einen Club der
Besserverdienenden zu bezeichnen, dann ist dies nicht
anderes als Ignoranz vor der Wahrheit. Denn schon oft genug
haben Politiker dieser Parteien auf allen Ebenen den Bund der
Steuerzahler als Kronzeugen herangezogen, wenn es in ihr
politisches Konzept passte.
So wird es daher auch nur noch eine Frage der Zeit sein, wann
sich dieser Rat zu nicht unerheblichen Steuererhöhungen
durchringen muss. Bleibt dabei zu hoffen, dass dann alle hier
Anwesenden der Wahrheit ins Gesicht sehen werden und sich
nicht aus Angst vor bevorstehenden Wahlen vor der
Verantwortung drücken.

Daher ist zu befürchten, dass es zu erheblichen Einschnitten
bei den freiwilligen Leistungen kommen könnte. Dies könnte
sich jedoch in vielen Bereichen als fatal erweisen, weil solche
Einschnitte oft in erster Linie Menschen in unserer Stadt treffen,
die nicht unbedingt auf der Sonnenseite des Lebens stehen.
Nicht nur diese gerade von mir genannte Themen werden in
den nächsten Jahren auch eine politische Baustelle sein. Es
gibt weitere Themen, die uns in den nächsten Jahren
beschäftigen werden.
Da wäre zunächst der Klimaschutz, der nicht nur auf
internationalen Konferenzen in Kairo und anderswo diskutiert
werden darf. Klimaschutz fängt bei uns vor der Haustür an und
es ist kein Thema von Sonntagsreden, Absichtserklärungen
oder schönen bunten Broschüren.
Wir werden dabei nicht weiterkommen, wenn immer wieder
Absichtserklärungen abgegeben, doch konkrete Maßnahmen
nicht umgesetzt werden. Denn Klimaschutz bedeutet nicht, erst
dann aktiv zu werden, wenn uns die Natur wieder deutlich
macht, dass es nicht so weitergehen darf. Nein, es müssen
Maßnahmen ergriffen werden, die dazu beitragen, dass es
nach Möglichkeit nicht zu solchen Problemen kommt.
Und an dieser Stelle hat die Stadt Rheine im vergangenen Jahr
wieder eine große Chance verspielt, als sie dem Investor des
Geländes der ehemaligen KümpersFabrik auf KUBA
sozusagen einen Blankoscheck für eine massive und vor allem
nicht nachvollziehbare Bebauung auf einer ökologisch
wichtigen und schützenswerten Wiese ausstellte. Solche
Beschlüsse sind mit Hinblick auf die angespannte
Klimasituation nicht nachvollziehbar und machen vor allem
deutlich, dass die Stadt Rheine hier, im Vergleich zu anderen
Städten, einen erheblichen Nachholbedarf hat. Wenn dann
noch Politiker sagen „Es ist doch nicht mehr als nur eine
Wiese.“, dann wird deutlich, dass viele Ratsmitglieder den Ernst

der Lage auch hier vor unserer Haustür wohl immer noch nicht
erkannt haben oder nicht erkennen wollen. Von dem Umgang
mit den Menschen bei der Bürgerbeteiligung ganz zu
schweigen. Das war mehr als ein abschreckendes Beispiel, wie
Bürgerbeteiligung nämlich nicht aussehen darf.
Denn es reicht nicht aus, sich einmal im Jahr richtig zu freuen,
weil man mal wieder im Stadtradeln die Nase vorn hatte. Das ist
viel zu wenig und gleicht einem Placebo.
Und dann wird in unserer Stadt leider immer noch eine
Verkehrspolitik aus dem Blickwinkel der Autofahrer gemacht.
Auch hier ist inzwischen bei vielen anderen vergleichbaren
Städten längst ein Umdenken erfolgt. Mir ist bewusst, dass
dieses Umdenken auch Geld kostet. Wahrscheinlich sogar
mehr, als wenn man die bisherige Planungspolitik beibehält.
Doch dieses Geld ist nachhaltiger und vor allem
zukunftsweisender angelegt, als so manches andere Projekt in
unserer Stadt, die zu Fässern ohne Boden werden.
Es wäre daher schön, wenn sich die Verantwortlichen aus
Politik und Verwaltung endlich zu diesem Umdenkungsprozess
entscheiden. Wir sind in Rheine deshalb davon noch ein
ganzes Stück entfernt, weil bei vielen immer noch nach dem
Prinzip „Das geht nicht“ vorgegangen wird. Wir brauchen aber
vielmehr ein „Wir machen das“ anstatt „Das geht nicht“. Denn
so wie jetzt laufen wir weiter hinterher und uns die Zeit vor
allem davon.
Aufgrund der vorgegebenen Zeit für diese Haushaltsrede, gibt
es noch viele andere Dinge und Themen, die hier eigentlich
angesprochen werden müssten. Doch es würde den Rahmen
sprengen und eigentlich müssten alle von uns wissen, wo wir
gefordert sind. Dies sind vor allem zukunftsfähige Schulen und
Kindertagesstätten. Noch mehr bezahlbarer Wohnraum und
keine Luxusbauten wie auf KUBA vorgesehen. Menschen die
durch die aktuelle Situation Probleme haben durch ihr Leben zu
kommen, brauchen unsere aktive Unterstützung. Da wird ein
einmaliges städtisches Unterstützungspaket nicht ausreichen.

Denn schon jetzt sind die Transferleistungen ein großer Posten
im städtischen Haushalt, der in den vergangenen Jahren stetig
gestiegen ist.
Wir werden in den Kommunen in den kommenden Jahren noch
vor viele Herausforderungen gestellt werden. Die aktuellen
Krisen verlangen uns weiterhin eine ganze Menge ab. Und es
ist leider zu befürchten, dass es weitere ähnliche Ereignisse
geben wird, wo wir den Menschen vielleicht noch mehr zumuten
müssen.
Der Gestaltungsspielraum könnte dadurch immer kleiner
werden und es kann sein, dass sich die Kommunalpolitik in den
kommenden Jahren immer stärker darauf konzentrieren muss,
mit diesen Herausforderungen und Krisen so umzugehen, dass
das Leben für die Menschen in unserer Stadt erträglich und
lebenswert bleibt.
Und diese aktuellen und auch kommenden Herausforderungen
sollten für uns Auftrag und Anlass sein, bei der Haushaltspolitik
in den kommenden Jahren zukunftsweisend und vor allem
nachhaltig umzudenken. Denn die ausgegebene Zeitenwende
wird vor den städtischen Finanzen einer jeden Kommune nicht
halt machen und sich in den nächsten Jahren immer mehr
ausweiten.
Genau diese Aspekte finden in dem vorliegenden Haushalt
kaum oder nur wenig Beachtung. Ob die Stadt Rheine für die
Zukunft gut aufgestellt ist, wird sich daher in den kommenden
Jahren zeigen. Nach meiner Auffassung ist sie es mit diesem
Haushalt erst einmal nicht. Und daher werde ich diesen
Haushalt heute ablehnen.

*Es gilt das gesprochene Wort*