Haushaltsrede zum Haushalt 2025 von Detlef Wessling
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
in der ARD-Talkshow mit Caren Miosga am 15.12.2024 wurde
der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück danach
gefragt, wie er die aktuelle Lage in unserem Land einschätzt.
Darauf antwortete er wie folgt:
„Dieses Land in all seinen Bereichen wie Politik, Wirtschaft
aber auch Zivilgesellschaft, hat sich über die letzten 10 bis 15
Jahre, sehr gerne in einer Komfortzone bewegt.
Wir Deutschen wollen es uns gerne bequem in einer permanenten
Gegenwart einrichten. Genau das funktioniert nicht mehr.
Die Politik muss vielmehr deutlich machen, dass wir uns
anstrengen müssen. Und dass es dabei teilweise Zumutungen
gibt, die ich auch adressieren kann. Ich glaube, dass viele
Menschen auch bereit sind, diese Zumutungen in Kauf zu
nehmen. Unter einer Bedingung, dass diese Zumutungen
gerecht verteilt sind.
Das Diejenigen, die mehr Löcher im Gürtel haben, in der Tat
davon mehr tragen, als diejenigen, die kaum noch Löcher im
Gürtel haben und das diese Zumutungen in der Tat damit
verbunden werden, dass unser Land mit all der Kraft die es
hat, mit all seinem Potenzial, sich wieder sehr stark aufstellen
kann.“
Dieses Zitat von Peer Steinbrück dürfte auf viele Ebenen in
unserem Staat zutreffen. Auch auf Bund, Länder und
Gemeinden.
Und wenn wir uns den Haushalt unserer Stadt für dieses Jahr,
den wir heute hier verabschieden, anschauen, dann finden
wir dort einige Beispiele, die dafür zutreffend sind.
Denn es mag jetzt vielleicht etwas pathetisch klingen, doch
dieser Haushalt könnte in der Geschichte unserer Stadt
historisch sein. Nämlich als letzter Haushalt, den wir vor einer
möglichen Haushaltssicherung beschließen.
Dabei möchte ich hier an dieser Stelle in Teilen beschreiben,
warum dies so sein könnte. Konkret haben dies heute schon
einige vor mir sehr gut und ausführlich erklärt, so dass ich es
hier nur wiederholen würde.
Vielmehr möchte ich jedoch eindringlich daran erinnern, dass
unser Kämmerer bereits schon in den Jahren zuvor immer
wieder darauf hingewiesen hat, dass wir auf der
Einnahmenseite für unseren Haushalt viel aktiver werden
müssen.
Genau dies wäre vor allem bei diesem Haushalt unbedingt
notwendig gewesen, doch anstatt hier moderate Schritte
vorzunehmen, belassen es CDU und FDP vor allem bei der
Gewerbesteuer bei dem Hebesatz, der seit 2011 Bestand hat.
Das wir uns mit dem aktuell gültigen Hebesatz bei der
Gewerbesteuer landesweit um unteren Bereich bewegen und
eine Erhöhung um 20 Punkte keinesfalls ein Szenario zu
Insolvenzen und Abwanderungen geführt hätte, haben CDU
und FDP in den Wind geschlagen.
Und auch bei der Grundsteuer B wurden die Hebesätze so
gestaltet, dass vornehmlich die Privathaushalte und nicht die
Unternehmen stärker zur Kasse gebeten werden.
Und wenn ich hier nun bei meinem Eingangszitat von Peer
Steinbrück bleibe, dann sind hier genau die Löcher im Gürtel
bei den Unternehmen ausgespart geblieben, die für eine
nicht unerhebliche Einnahmeverbesserung zu unserem
Haushalt beigetragen hätten.
Stattdessen wird der Kämmerer nun wohl gezwungen sein,
zur Sicherstellung der Liquidität weitere Kredite
aufzunehmen. Nach aktueller Berechnung dürfte dies ein
Betrag von mehr als 2. Mio. Euro sein. Dieser Betrag und vor
allem auch die sich daraus zu zahlenden Zinsen, werden sich
negativ auf unseren Haushalt niederschlagen.
An dieser Stelle erlaube ich mir auch den Hinweis, dass es sich
dabei nur sozusagen um eine Momentberechnung handelt.
Denn wir wissen heute noch nicht, welche unerwarteten
Ereignisse uns in diesem Jahr noch bevorstehen und uns als
Kommune zum schnellen Handeln zwingen.
Schon jetzt ist dieser Haushalt daher ein kaum zu
bewältigende Herausforderung für unsere Verwaltung. Es
bleibt daher zu hoffen und zu wünschen, dass die
verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute
Fähigkeiten im akrobatischem Seiltanz haben.
Und wenn eines bereits klar ist, dann ist es die Tatsache, dass
wir im kommenden Jahr um erhebliche Steueranpassungen
nicht herumkommen werden. Anpassungen, die in diesem
Jahr moderat hätten vorgenommen werden können, was
dann auch für die kommenden Jahr vieles sicherlich etwas
leichter und einfacher gemacht hätte.
Denn wer sich heute darüber freut, dass in diesem Haushalt
keine Steueranpassungen vorgenommen werden, wird
spätestens im nächsten Jahr dicke Backen bekommen und
große Augen machen.
Falls jedoch wirklich der Fall einer Haushaltssicherung
eintreten sollte, dann werden auch damit dem Rat viele
Handlungsspielräume entzogen. Denn die betreffenden
Steuersätze dürften dann wohl vornehmlich von der
Kommunalaufsicht vorgegeben werden.
Und welche Folgen eine mögliche Haushaltssicherung für
andere Bereiche hat, wie z.B. bei den freiwilligen Leistungen,
ist noch ein ganz anderes Thema.
So komme ich hier zu dem Ergebnis, dass CDU und FDP
offenbar nicht den Mut haben, einen Haushalt zu
verabschieden, der den Herausforderungen dieser Zeit
gerecht wird.
Vielmehr werden, wohl mit Blick auf die bevorstehende
Kommunalwahl in diesem Jahr, längst wichtige
Entscheidungen auf das Jahr danach vertagt. Offenbar hat
man die Befürchtung, dass sich dies auf das Wahlergebnis
negativ auswirken könnte.
Denn man weiß dort genau, dass alle anderen Fraktionen in
diesem Rat bereits schon jetzt bereit sind, auch vermeintlich
unpopuläre Entscheidung zur Sicherung unseres Haushalts zu
treffen. Und eine einstimmige Entscheidung wäre dann
besser zu verkaufen.
Sollte dies wirklich so sein, dann bewegt sich die Politik von
CDU und FDP in diesem Rat und in dieser Stadt wirklich in der
von Peer Steinbrück beschriebenen Komfortzone der letzten
10 bis 15 Jahre. Doch genau dies kann sich für unsere Stadt
verheerend auswirken.
Man sieht bei diesem Haushalt sehr deutlich, dass CDU und
FDP nicht den Mut und auch nicht die Kraft haben, sich den
aktuellen Herausforderungen zu stellen. Denn auch
Kommunalpolitik ist kein Wunschkonzert und wir alle, die
Entscheidungen in der Kommunalpolitik treffen, müssen das
Rückgrat haben Entscheidungen zu treffen, die auch weh tun.
Wir als Bürger für Rheine werden den Menschen in unserer
Stadt sagen, dass die kommenden Jahre nicht einfach werden
und das es dabei auch zu unpopulären Entscheidungen
kommen wird. Und wenn ich die Haushaltsreden von anderen
Fraktionen hier zum Maßstab nehme, dann sieht man dies
dort wohl ähnlich.
So haben die Debatten und Diskussionen zum Haushalt im
Rat und in den Ausschüssen, vor allem eines sehr deutlich
gemacht:
Es ist endlich an der Zeit für neue Mehrheiten in diesem Rat,
damit den Aufgaben und Herausforderungen der nächsten
Jahre gerecht begegnet werden kann.
Den vorliegenden Haushalt lehne ich heute ab.